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Version vom 10. Juli 2020, 10:43 Uhr

eLearning führt im schulischen Bereich noch ein Schattendasein, gewinnt jedoch in der universitären und Erwachsenenbildung zunehmend an Bedeutung. Vor allem der Faktor freie Zeiteinteilung spielt hierbei eine große Rolle, bei zunehmendem Termindruck können mit Hilfe des eLearnings Präsenzveranstaltungen entfallen. eLearning kann in Zukunft auch im Rahmen eines selbstgesteuerten Unterrichts als Ergänzung zum Präsenzunterricht in der Schule dienen.

Aus einem von Wiebers/Hohenstein 2006[1] veröffentlichten didaktischen Modell, das sich an Unternehmen richtete, können einige Bausteine auf den schulischen Bereich übertragen werden.

Begriffsdefinition

eLearning im eigentlichen Sinne bezeichnet alle Formen des Lernens, die in irgendeiner Art computergestützt sind, also auch nahezu sämtliche Lernformen, welche die Didaktik neuer Medien beinhaltet. Im engeren Sinne, in dem der Begriff heute verwandt wird, bezeichnet eLearning ausschließlich internetbasiertes Lernen.

Martin Ebner zum Begriff E-Learning. - Beitrag im Rahmen des L3T-Projektes (http://l3t.eu) basierend auf dem Kapitel "Einführung - Das Themenfeld "Lernen und Lehren mit Technologien"" (http://l3t.tugraz.at/index.php/LehrbuchEbner10/article/view/88)

Didaktische Bausteine zum Umgang mit eLearning-Inhalten

Stakeholderanalyse

Bei der Stakeholderanalyse (aus dem Englischen: stake = Spieleinsatz, also die Analyse derer, die „etwas zu gewinnen oder verlieren“ haben) wird die Struktur der Lernenden und Lehrenden betrachtet und analysiert. Auf Grund der von den Stakeholders eingebrachten Ideen bzw. mitgebrachten Voraussetzungen wird die restliche Gestaltung des eLearning-Prozesses vorgenommen.

Zielgruppenanalyse

Die Zielgruppenanalyse ist sowohl initialer als auch zentraler Bestandteil der Stakeholderanalyse. Hierbei werden nach den Prinzipien Lernprinzip (lernfördernde oder hemmende Faktoren), Curriculumprinzip (Relevanz von Lerninhalten, zukünftige Lernsituation) und Kompetenzprinzip (vorhandene Kompetenzen als Grundlage für Baustein 2, das Design) die Voraussetzungen und somit auch die Ansprüche der Stakeholder ermittelt.

Die Orientierung am Lernprinzip stellt eine Art psychologischer Analyse dar, die auf die Kognition, Motive, Gefühle sowie das Verhalten der beteiligten Stakeholder abzielt.

Das Curriculumprinzip versucht, die Relevanz von Lerninhalten anhand der drei Kriterien

  • Situation: Analyse des zukünftigen Wirkungsraum des Lernenden, um Anforderungen an die Kompetenz dessen festzustellen.
  • Wissenschaft: Feststellung der fachlichen Grundlage
  • Tradition: Auswertung vorhergehender Seminare, um deren Ergebnisse weiterzunutzen

zu beurteilen.

Das Kompetenzprinzip analysiert die vorhandene Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz der Stakeholder.

Wissensmanagement

Ein weiterer wichtiger Punkt der Stakeholderanalyse ist das Wissensmanagement. Hierbei ist zu beachten, dass Wissen nicht mit Information verwechselt wird. In das Wissen fließen sowohl Arbeits- und Alltagserfahrungen als auch in der Lernumgebung angeeignete Inhalte und – der wichtigste Punkt – deren Anwendung ein. Im Gegensatz zu Informationen ist es also immer mit konkreten Personen und deren Verhaltens- und Denkweisen verknüpft.

Das Wissensmanagement findet an Hand folgender Aspekte statt, die nicht unbedingt in dieser zeitlichen Abfolge stehen, sondern zum Teil ineinander greifen:

Die eigentlich trivial erscheinende Frage nach den Wissenszielen steht stets am Anfang und beschäftigt sich – wie die Bezeichnung bereits erkennen lässt – mit dem Ziel, das mit dem vorhandenen Wissen erreicht werden soll.

Nachdem die Ziele bestimmt wurden, wird evaluiert, welches Wissen in welchem Ausmaß vorhanden ist, man spricht von Wissensidentifikation. Dabei ist auch nach Zugängen zu möglicherweise vorhandenem, jedoch nicht abgerufenem Wissen zu suchen.

Während der Phase Wissenserwerb und -entwicklung bringen sowohl die Stakeholder als auch externe Quellen ihr Wissen ein, es erfolgt eine „Wissenssammlung“. Aus dieser Sammlung kann weiteres, tiefer greifendes Wissen entwickelt werden.

In der Wissensverteilung wird – auf die Wissensentwicklung folgend – das erworbene und entwickelte Wissen auf die einzelnen Beteiligten verteilt, man könnte davon sprechen, „alle auf den selben Stand zu bringen“. Hierdurch erfolgt gleichzeitig eine Wissenssicherung.

Im Baustein der Wissensnutzung wird, aufbauend auf dem gesammelten, vertieften und verteilten Wissen, die Gestaltung der Arbeitssituationen – im Falle des eLarning zum Beispiel eines Onlineseminars – bedacht und die Bereitschaft der Stakeholder, das erworbene Wissen aktiv zu nutzen, gefördert.

Im Bezug auf die Lernsituation wichtiges Wissen wird von unwichtigem getrennt (Selektion) und gespeichert. Man spricht von Wissen bewahren und bewerten.

Gestaltung der Mitarbeit und Verpflichtungen

Als letzter wichtigen Punkt für die Shareholderanalyse im schulischen Kontext ist die Gestaltung der Mitarbeit und Verpflichtung der Beteiligten zu nennen.

Hierbei werden zunächst sogenannte Partizipationslevel – das heißt, der Grad und die Art der Teilnahme der einzelnen Gruppen – festgelegt. Zu klärende Punkte sind hier:

  • Mitarbeit in Projekten: Zusammensetzung der einzelnen Arbeitsgruppen im Rahmen der eLearning- Umgebung.
  • Vetorechte der Stakeholder: Wer darf in welchen Fällen durch eine einzelne Meinung Vorgaben oder Ergebnisse der Lernumgebung „kippen“?
  • Anhörungsrechte: Analog zum vorhergehenden Punkt wird hier geregelt, wer in welchem Ausmaß ein Anhörungsrecht besitzt, jedoch ohne ein Veto einlegen zu können.
  • Information: Die Stakeholder müssen natürlich über die ihnen zugestandenen Rechte informiert werden.

Im Bereich der Verpflichtungen gilt es auch, einige rechtliche sowie moralische Grundlagen im Vorfeld zu klären. Hierzu zählt selbstredend die Einhaltung gängiger gesetzlicher Regelungen. Besonderes Augenmerk darf und muss hier auf Urheber- und Nutzungsrechte gelegt werden die, gerade in Lernumgebungen sowohl „online“ als auch „offline“ häufig missachtet werden.

Durch die bereits erwähnten moralischen Grundlagen sowie den Hinweis auf die Einhaltung geltenden Rechts soll ein gutes und dem Anlass angemessenes Zusammenspiel der Sozialparteien – also der innerhalb der Stakeholdergruppe auftretenden Einzelgruppierungen – gewährleistet werden. Im Rahmen der Festlegung bestimmt sich auch die Rolle des Trainers / Lehrenden, die letztendlich noch deutlich und offiziell festgelegt werden muss.

Ergebnissicherung

Da es sich bei der Stakeholderanalyse um einen aufwändigen Prozess handelt, sollten deren Ergebnisse fixiert werden. Dies kann z.B. in Form eines Heftes der Gestaltungsansprüche geschehen, in dem Stakeholder, Gestaltungsansprüche, die sich aus Punkt 1 ergeben, Partizipationslevel und der Erfolgsmaßstab festgehalten werden.

Design

Design meint nach Wiebers/Hohenstein nicht nur den Entwurf der eigentlichen Lernumgebung. Vielmehr ist dieser nur der zweite von vier Schritten, die innerhalb des Design-Bausteins erfolgen. Im schulischen Kontext genügt jedoch eine Beschreibung dieses einen Schrittes.

Design der Lernumgebung

Die Lernumgebung nimmt die zentrale Rolle innerhalb eines eLearning-Projektes ein. Sie steht im Mittelpunkt sämtlicher Kommunikation sowie des Lernens und muss dementsprechend ansprechend und anregend gestaltet sowie – basierend auf der Stakeholderanalyse – auf die Inhalte und Teilnehmer abgestimmt sein.

Didaktische Typisierung

In der Didaktischen Typisierung wird zunächst unterschieden, ob die Umgebung auf fremd- oder selbstgesteuertes Lernen ausgerichtet sein soll.

Es wird deutlich, dass es sich hier um zwei Extreme handelt. In der Praxis wird es selten rein selbstgesteuerten oder rein fremdgesteuerten (auch: direkten) Lernumgebungen geben, es handelt sich immer um einen Mittelweg.

Als grobe Richtlinien, wann der Weg in welche Richtung gehen sollte, kann man sich z.B. orientieren an

  • der Unterrichtszeit (wenig Zeit ---> hohe Fremdsteuerung)
  • den Vorkenntnissen der Teilnehmer (wenige Vorkenntnisse ---> hohe Fremdsteuerung)
  • dem Thema (konkretes Thema mit objektiven Antworten ---> hohe Fremdsteuerung; individuelle Antworten möglich ---> Selbststeuerung)

Ferner stellt sich die Frage, ob die Umgebung für eine Gemeinschaft oder Einzelindividuen ausgelegt werden soll. Dies muss bei der Einrichtung von z.B. Foren (stark gemeinschaftsorientiert) oder online verfügbaren Lehrfilmen (stark individuell orientiert) beachtet werden. Auch hier handelt es sich um zwei Extreme, und auch hier liegen die tatsächlichen Ergebnisse irgendwo zwischen beiden.

An Hand der didaktischen Typisierung werden die einzelnen Komponenten bzw. die einzelnen Lernumgebungen angelegt.

Beispiele einiger Lernumgebungen im Kontext der Didaktischen Typisierung

Direkte Lernumgebung mit stark individuellem Fokus:

  • Teleteaching: Frontalunterricht, der über weite räumliche Distanzen übertragen wird. Beispiele wären im Internet übertragene Vorlesungen oder Filme aus dem Schulfernsehen. Das Angebot richtet sich an den Einzelnen und ist komplett vom Lehrenden gesteuert.
  • Tutorials: Die Teilnehmer erarbeiten sich Wissen an Hand von fertigen Programmen, die vom Lehrenden vorgegeben und vom Lernenden nicht veränderbar sind.

Selbstgesteuerte Lernumgebung mit individuellem Fokus

  • Informationssysteme: Hier sind Datenbanken und Hilfesysteme (Beispiel: Windows-Hilfe) zu nennen. Lerntempo und -umfang sind nicht explizit vorgegeben, die Beschäftigung erfolgt prinzipiell „im Alleingang“.

Selbstgesteuerte Lernumgebung mit stark sozialem Fokus

  • Communities: In Communitites bringen sich die Teilnehmer nach eigenem Ermessen mehr oder weniger stark ein, geben sich gegenseitig Hilfestellung und entwickeln gegebenenfalls gemeinsam Problemlösungen. Als Beispiel wären Internetforen oder Chaträume zu nennen, die auch im schulischen Kontext – zum Beispiel bei der gemeinsamen Besprechung der Hausaufgaben – genutzt werden können.

Evaluation

Auch die Evaluation besitzt in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Funktionen. Im Zusammenhang mit schulischen Inhalten wird zum Einen natürlich der Grad der Zielerreichung kontrolliert, zum Anderen findet jedoch auch eine Legitimation der verwendeten Ressourcen statt. Das heißt, die eingesetzten Ressourcen wie die einzelnen Bausteine der Lernumgebung, Qualität und Umfang der Beiträge etc. werden dahingehend evaluiert, ob sie zum Ziel – also dem Verständnis und der Verinnerlichung der Inhalte – geführt haben und somit eine Legitimation besitzen. Das Ergebnis der Evaluation kann und muss für zukünftige Projekte genutzt werden.

Zu untersuchende Faktoren

An Hand der in unserem Kontext angebrachten Pragmatischen Evaluation sind drei Faktoren miteinzubeziehen:

  • Wer führt die Evaluation durch: Zum einen können natürlich die Stakeholder selbst eine Evaluation durchführen. Sie können ihre Erfahrungen und gemachten Fortschritte rekapitulieren, genauso über aufgetretene Probleme und im sozialen Kontext entstandene Unstimmigkeiten sprechen. Zum anderen kann es durchaus sinnvoll sein, die Evaluation von Peers – Bezugspersonen der Teilnehmer, die jedoch nicht zwingend selbst einen Bezug zum Thema haben – durchführen zu lassen. Hier können unter Umständen Probleme aufgedeckt werden, die einem Teilnehmer auf Grund eigener Involvierung gar nicht auffallen.
  • Mit welchem Instrument wird evaluiert: Wurde das Heft der Gestaltungsansprüche am Ende der Stakeholderanalyse angelegt, bietet dies nun eine einfache Möglichkeit der Evaluation. Die eingetragenen Punkte können mit den erreichten Ergebnissen verglichen und somit die erreichten Ziele bewertet werden. Natürlich kann auch ohne ein solches Heft ein (mündlicher) Abgleich erfolgen, nach dem Motto „Sind wir wirklich da gelandet, wo wir wollten?“
  • Welches Wissen wurde erworben (Lessons Learned): Die Lessons Learned, also das erworbene Wissen, aber auch erworbene und vertiefte methodische, soziale und fachliche Kompetenzen werden von den Evaluierenden (Wer?) an Hand des Instrumentes (Wie?) bewertet und – möglichst schriftlich - festgehalten. Die hierbei entstehende Auswertung bietet nicht nur einen Rückblick und eine Zusammenfassung, sondern dient auch als Grundlage für zukünftige Projekte. Zum Einen können vergessene Themenbereiche in Zukunft beachtet werden, zum Anderen ist auch eine Anpassung des Designs auf Grund solcher Erfahrungswerte möglich.

Literatur

  • Martin Ebner, Sandra Schön (Hrsg.): L3T 2.0 – Lehren und Lernen mit Technologien. 2. Auflage 2013. Ein Lehrbuch in 60 PDF-Dateien, gedruckt: Berlin. epubli: ISBN 9783844265941.
  • Karl Wiebers, Andreas Hohenstein (Hrsg.): Handbuch e-Learning: Expertenwissen aus Wissenschaft und Praxis, Grundwerk einschließlich Ergänzungslieferung, Die Deutsche Bibliothek, Köln: 2006.
  • Wolfgang Maier: Grundkurs Medienpädagogik Mediendidaktik, Ein Studien- und Arbeitsbuch, Mit einem Vorwort von Georg E. Becker, Beltz Verlag, Weinheim und Basel: 1998.

Einzelnachweise

  1. Wiebers, Karl, Andreas Hohenstein (Hrsg.), Handbuch e-Learning: Expertenwissen aus Wissenschaft und Praxis, Grundwerk einschließlich Ergänzungslieferung, Die Deutsche Bibliothek, Köln: 2006.

Linkliste

Hintergrundinformationen
Konkrete Umsetzung an Schulen
  • Abitur-Online (WBK) in NRW - "Der Wunsch nach Weiterbildung scheitert oft am Zeitbudget. Das kann künftig anders sein – die Angebote der Weiterbildungskollegs werden mit Hilfe der neuen Medien noch besser auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgestimmt.", 24.01.2006
  • Selbstständiges Lernen mit digitalen Medien in der Gymnasialen Oberstufe "Die Entwicklung und Förderung des selbstständigen Lernens ist eine zentrale Voraussetzung, um Kinder und Jugendliche zu lebensbegleitendem Lernen zu befähigen. Sie ist integraler Bestandteil der Richtlinien und Lehrpläne aller Fächer. Von gleichfalls hoher Bedeutung ist die Kompetenz zur umfassenden und kritischen Nutzung der neuen Medien.", 24.01.2006
Lerntools

Siehe auch