Klassenkorrespondenz: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 7. Oktober 2008, 10:40 Uhr
Klassenkorrespondenz bezeichnet den Informationsaustausch zwischen zwei oder mehreren Schulklassen. Im Fremdsprachenunterricht ist hierbei die Zielsprache wesentliches Medium, deswegen wird sich der Austausch in der Regel über verschiedene Länder erstrecken. Der Brief ist die traditionelle Form. E-Mail-Austausch, das Gestalten von Webseiten oder Blogs sind die modernen Brüder.
Eine eigenständige didaktische Theorie und Methodik der Klassenkorrespondenz besteht nicht. Es handelt sich vielmehr um eine komplexe Übungsform, die sowohl Aspekte der Schreibfertigkeit als auch des Interkulturellen Lernens gleichermaßen berücksichtigt.
Klassenkorrespondenz kann im weitesten Sinne reformpädagogischen Bemühungen im Fremdsprachenunterricht zugeordnet werden. Schüler schreiben nicht für den Unterricht, sie haben ein "echtes" Anliegen: den inhaltlichen Austausch mit anderen Schülern. Somit wird die Grenze zwischen Schule und Leben tendenziell aufgehoben.
Es wird ein prinzipielles Problem des Fremdsprachenunterrichts gelöst: der Schüler muss sich nicht Wortschatz und Grammatik aneignen und diese in fiktiven Situationen einüben, der Inhalt der Kommunikation und die Intention des Schülers stehen im Mittelpunkt; die zu erlernende Sprache wird Mittel zum Zweck der Kommunikation.
Das selbständige Verfassen und Gestalten von Texten kann auch im Sinne einer Freinet-Pädagogik verstanden werden. Damit wird auch die enge Verwandtschaft zum Projektunterricht deutlich.
Schreibfertigkeit
Der formale Aspekt der Schreibfertigkeit steht also nicht an erster Stelle. Klassenkorrespondenz ist nicht nur als Übungsform auf dem Weg zum korrekten Schreiben zu sehen. Der inhaltliche Austausch zwischen Schülern oder Schülergruppen, die Kommunikation steht zentral. Das erfordert ein Lehrerverhalten, das den Prozess nicht inhaltlich steuert und kontrolliert. Der Lehrer soll Initiator und Animateur sein, er soll den Unterrichtsprozess in Gang setzen und den Schülern Unterstützung gewähren. Während bei der Vorbereitung im Unterricht noch die entscheidenden Impulse vom Lehrer ausgehen, kann der Briefaustausch später sogar völlig losgelöst von Schule und Unterricht weitergeführt werden.
Wird Klassenkorrespondenz so definiert, ist eine Benotung der Korrektheit im Bereich der Schreibfertigkeit weitgehend ausgeschlossen.
Vorbereitung
Um dieses zum großen Teil vom Einsatz des Schülers abhängigen Lernen zu ermöglichen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Klasse muss das Projekt akzeptieren.
- Es müssen Partner für die Klassenkorrespondenz gefunden werden, die geeignet erscheinen.
Zur Auswahl des Partners gehören Erfahrung und selbstredend immer ein wenig Glück. In dem Wechselspiel von Selbst- und Fremderfahrung verhält es sich wie im Leben: "Gleich zu gleich gesellt sich gern!" und: "Gegensätze ziehen sich an!". Zwischen beiden Extremen gilt es, einen didaktischen Mittelweg zu finden.
Sind die sozialen und kulturellen Unterschiede zu groß, ist ein Austausch schwierig oder unmöglich; fehlt das exotische Moment, kann die Korrespondenz schnell langweilig werden und einschlafen. Fremd, exotisch ist in der Regel immer schon das andere Land, seine Institutionen und die andersartige (Alltags-)Kultur. Deswegen sollten bei der Wahl einer Partnergruppe zumindest drei Faktoren gut abgewogen werden:
- das jeweilige Alter der Partner
- der Schultyp mit seinem sozialen Umfeld
- der fremdsprachliche Entwicklungsstand
Zwei prinzipielle Möglichkeiten sind in der Vorbereitung gegeben:
- Briefpartnerschaften mit Klassen, in denen Deutsch als Muttersprache gelehrt wird.
- Briefpartnerschaften mit Klassen, in den Deutsch als Fremdsprache erlernt wird.
- das Tandemlernen ist hier als didaktischer Sonderfall (siehe Stichwort) zu sehen.
Im ersten Fall hat man den großen Vorteil, dass landeskundliche Erfahrungen auf dem Niveau des Alltäglichen gesammelt werden. Dies geschieht aus Sicht von Jugendlichen für Jugendliche, was eine einmalige Bereicherung des Wissens über ein Land bedeutet. Auf der anderen Seite ist der Muttersprachler sowohl inhaltlich als auch sprachlich dem Schüler, der Deutsch als Fremdsprache erlernt, überlegen. Diese Asymmetrie kann den Briefaustausch bereichern, kann ihn aber auch belasten. Im zweiten Fall, dem Austausch mit anderen Schülern im Bereich Deutsch als Fremdsprache, ist diese Ungleichheit der Partner im zielsprachlichen Niveau nicht vorhanden. Erfahrungen zeigen sogar, dass Schüler aus den sprachlichen Fehlern der Partnergruppe lernen können. Schüler anderer Muttersprachen produzieren vor allem Interferenzfehler, die dem Briefempfänger auffallen werden.
Sozialformen
Die Sozialformen für die Klassenkorrespondenz können folgendermaßen aussehen:
- Eine Klasse schreibt einer anderen Klasse. Sie stellt sich, ihre Schule, ihre Region und so weiter vor.
- Kleingruppen aus einer Klasse schreiben einer Kleingruppe einer anderen Klasse.
- Individuelle Schüler schreiben einem anderen Schüler.
Diese Formen sind natürlich keine sich ausschließenden Alternativen, sie lassen sich miteinander verknüpfen. Zum Beispiel kann zuerst eine Klasse sich kollektiv einer anderen vorstellen, danach können sich themen- oder interessenorientierte Kleingruppen bilden, und schließlich können Schüler individuell Briefe austauschen.
All diese Formen der Korrespondenz können auch genutzt werden, um einen gegenseitigen Besuch, einen gemeinsamen Landschulheimaufenthalt, eine gemeinschaftliche Klassenreise oder ein Unterrichtsprojekt vorzubereiten.
Literatur
- Kast, Bernd und Matthias Mitzschke: Klassenkorrespondenz. In: Spracharbeit. 1988/2, S. 19-31.
- Raths, Angelika: Klassenkorrespondenz - Versuche zum freien Schreiben und Reden. In: Müller, Bernd-Dietrich (Hg.): Anders lernen im Fremdsprachenunterricht. Experimente aus der Praxis. Berlin und München: Langenscheidt, 1989. S. 28-46.
- Wicke, Rainer Ernst: Kontakte knüpfen. Berlin, München: Langenscheidt, 1995. (= Fernstudieneinheit 9).
- www.goethe.de
- www.edr.org
- www.euregio.org