Induktiver Grammatikunterricht

Aus ZUM Deutsch Lernen

„ Grammatik ist brauchbar, wenn sie Türen hat, Eingänge. Sie wird lieber, also besser benutzt, wenn sie freundliche, hellbeleuchtete Eingänge hat. Wie verschlungen die Grammatik des Deutschen auch immer sein mag: Man kann sie licht zeigen, durchsichtig“

1.0 Grammatik; unbeliebt?

Wer die deutsche Sprache beherrschen will, muss grammatikalische (Vor)Kenntnisse haben. Die Grammatik enthält die grammatikalischen Regeln, die die Schüler fixieren müssen, damit sie richtig schreiben und sprechen können. Die Grammatik wird jedoch oft negativ dargestellt, denn das Thema Grammatik ist bei den Schülern nicht attraktiv und sie finden es oft sehr langweilig und uninteressant. Dieses negative Image beschränkt sich meines Erachtens nicht nur auf meine Schule, sondern trifft für viele niederländische Schulen zu. Und darum ist anzunehmen, dass der Grammatikunterricht auch international nicht allgemein geschätzt sei. Warum ist die Grammatik bei euch so unpopulär? „Was fällt euch zum Wort Grammatik ein?“ fragte ich in meiner Oberstufenklasse. Die Schüler kamen in einem Wortweb zu folgenden Wörtern: „saai“(langweilig), „niet interessant“ (uninteressant), „belangrijk“(wichtig), „moeilijk“ (schwierig), „langdradige oefeningen“ (langwierige Übungen), „ stampen“ (pauken), „ingewikkelde regels“(komplizierte Regeln) und „ rijtjes leren “ (Konjugationen und Deklinationen lernen ) wurden oft erwähnt. Das einzig Positive ist, dass die Schüler die Grammatik als „ belangrijk “(wichtig) betrachten.

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Dies hat mich zum Nachdenken angeregt. In meiner Schule wird die Grammatik deduktiv unterrichtet: es geht dabei oft um klassische Grammatikübungen. Der Grammatikunterricht erscheint nicht interessant und unterhaltsam genug zu sein. Auch in einer Umfrage unter 102 Schülern der Oberstufe wurde das negative Image der Grammatik bestätigt. Ich frage mich deshalb, ob der heutige Grammatikunterricht in Bezug auf Konzept/Ansatz (und vor allem in Grammatikübungen) in meiner Schule noch aktuell ist. Stimmt es, dass dadurch der Grammatikunterricht bei den Schülern so unbeliebt ist?

1.1 Emotionen

Als ich weiterfragte, stellte sich heraus, dass der Begriff Grammatik überhaupt keine positiven Gefühle auslöst. Der Grammatikunterricht ist mit Gefühlen verbunden, leider vor allem mit negativen Gefühlen. Grammatik wird meiner Meinung nach oft negativ bewertet. Wörter wie interessant und kreativ, die ich auch nicht ohne weiteres erwartet hätte, würden hier aus der Rolle fallen. Auf Emotionen, Motivation und Kreativität komme ich später zurück.

1.2 Welcher Ansatz?

Welchen Ansatz könnte ich einsetzen, damit die Schüler wieder Spaß am Grammatikunterricht bekommen? Um diese Frage beantworten zu können, habe ich den in unserer Schule verwendeten deduktiven Ansatz und die traditionellen Übungen mit einem gelenkten induktiven Ansatz und kreativen Grammatikübungen verglichen. Dazu habe ich in meiner Unterrichtsreihe - um ein komplettes Bild zu bekommen - in einer Unterstufenklasse (3 HAVO) die Schüler die regel - und unregelmäßigen Verben in einer deduktiven Art und Weise wiederholen lassen. Außerdem haben sie dazu traditionelle Grammatikübungen (Ergänzungs- und Übersetzungsübungen) gemacht. Anschließend haben die Schüler die gleichen grammatikalischen Übungen anhand einiger kreativer Grammatikübungen wiederholt. In einer Oberstufenklasse (4 VWO) habe ich die Steigerungsstufen und die Präpositionen an, in, nach und zu in einer deduktiven Art und Weise erklärt und habe die Schüler dazu die traditionellen Grammatikübungen ( Ergänzungs- und Übersetzungsübungen) im Lehrbuch ausfüllen lassen. Anschließend habe ich bei den Oberstufenschüler wiederum die Steigerungsstufen und die Präpositionen an, in, nach und zu behandelt und dazu den gelenkten induktiven Grammatikansatz und die kreativen Übungen (Grammatikspiel einerseits, das Verfassen beziehungsweise Rekonstruieren von Gedichten und fantasievollen Texten andererseits) eingesetzt. Dabei habe ich mich darauf beschränkt Fragen zu stellen und Anweisungen zu geben, damit die Schüler angeregt werden, die grammatikalischen Regeln selbst zu formulieren. Ich wollte also herausfinden, ob die Schüler bei dem selbstentdeckenden Lernen und beim Machen kreativer Grammatikübungen aktiver und motivierter sind. Werden sie mehr Spaß haben und die grammatikalischen Strukturen besser verstehen und anwenden können? In den Unterrichtstunden habe ich die Schüler beobachtet, mündlich und schriftlich befragt.

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1.3 Unterrichtsreihe: Wieso gelenkt induktiv und kreative Grammatikübungen?

Wieso habe ich mich entschlossen, einen gelenkten induktiven Ansatz kombiniert mit kreativen Übungen in meiner Unterrichtsreihe und Forschung einzusetzen? Es geht mir um einen schüleraktiven und kreativen Unterricht, denn das entdeckende Lernen ist mindestens genauso wichtig wie das Wiederholen und Üben im Grammatikunterricht. „ Es genügt nicht, die Schüler nur mit grammatischen Zusammenhängen bekannt zu machen, mit deren Hilfe sie einen Text entschlüsseln.“ so wie bei der deduktiven Methode.“ Oft lassen sich Fehler nicht vermeiden.“ Beim Grammatikunterricht soll man Emotionen und logisches Denken berücksichtigen: die linke Hirnhälfte ist zuständig für unser logisch-abstraktes Denken und die rechte für Emotionen. Wenn beide Hirnhälften zusammenarbeiten, hat das eine günstige Auswirkung auf das Speichern neuer Informationen. Das heißt für Fremdsprachen, dass Beispiele veranschaulicht und mit abstrakten Informationen kombiniert werden müssen, damit das Einprägen neuer Inhalte erleichtert wird. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, die Emotionen der Schüler zu berücksichtigen, was bei traditionellen Grammatikübungen meines Erachtens nicht der Fall ist. Grammatikübungen sollen deshalb anders gestaltet werden, denn kognitive Prozesse laufen nicht ohne affektive Prozesse ab. In den Übungen sollen spielerische Elemente verarbeitet werden. Traditionelle (brauchbare) Übungen lassen sich meiner Meinung nach leicht abändern. Durch diese Abänderung fördern sie die Kreativität und wirken sich positiv auf die Emotionen der Schüler aus. Sätze, die von den Schülern - eingebettet in persönlichen Erfahrungen - selbst ausgedacht sind, erweisen sich effektiver. Die Verarbeitung der grammatikalischen Regeln und Strukturen und die Umsetzung verlaufen in der Praxis dann viel besser.

- gelenkt induktiv

Laut Funk und Koenig in Grammatik lehren und lernen ist der „ klassische Grammatikansatz trocken und langweilig“. Darum sollte „ das erwerbende Wissen emotional positiv begleitet“ werden. Dies sollte „ eindeutig, emotional ansprechend, die Kreativität fördernd und semantisch schnell zu dekodieren sein (also kein „ unbekanntes lexikalisches Material, die Erfahrungswelt und einen Schwierigkeitsgrad vom Einfachen zum Komplexen“) berücksichtigen.“ Damit meine Schüler wieder Spaß am Grammatikunterricht bekommen, habe ich einen gelenkten induktiven Grammatikunterricht mit geeigneter Übungstypologie eingesetzt. Das heißt einen Ansatz davon, wobei die Schüler

• versuchen, selber die grammatikalische Regel zu entdecken und zu verstehen • zusammenarbeiten und einander helfen können • aktiv sind und der Lehrer nur lenkt • ihre Kreativität zeigen können • herausgefordert werden • motiviert werden

- Poesie

Laut Häusserman und Piepho im Aufgabenhandbuch Deutsch als Fremdsprache ist Poesie „eine starke Quelle“, denn sie ist „plötzlich auf überraschend neue Weise“ wieder da, und „mischt heute beharrlich“ im Fremdsprachenunterricht mit. Gedichte können zum Beispiel bei Sprech- und Schreibfertigkeitsübungen, Aussprache- und Wortschatzübungen eingesetzt werden. Das Arbeiten mit lyrischen Texten ergibt folgende Vorteile: sie

• aktivieren die Schüler, da die Gedichte als Anlass zum Sprechen dienen • fördern die Phantasie • fördern die Kreativität • machen neugierig • motivieren • erwecken Emotionen

Grammatikalische Paradigmen ermöglichen den Einsatz konkreter Texte im Grammatikunterricht, auch zur Festigung der Sprachkompetenz. Sie tragen dazu bei, Monotonie und Langweile zu vermeiden.“ Diese Art von Texten lösen eine „Atmosphäre der Entspannung gegenüber Sprache und Unterrichtssituation aus, “außerdem treten „Wortschatz, morphologische und grammatikalische Strukturen in überraschenden Zusammenhängen auf “ , was den Schülern das Behalten des Gelernten sicherlich erleichtert. Das Einbeziehen solcher Texte kann dazu beitragen, den traditionellen Grammatikunterricht zu durchbrechen. Poetische Texte sind also für den Grammatikunterricht sehr geeignet, weil sie authentisch sind. Gedichte sind emotional bedingt und provozierend. Sie fördern die Kreativität der Schüler und lassen sie vom Lehrwerk distanzieren.

- das Verfassen von fantasievollen Texten

In „Grammatik Kreativ“ wird eine Modelleinheit zum Verfassen und Rekonstruieren von fantasievollen Texten beschrieben, wobei die grammatikalische Struktur in fünf Phasen von den Schülern gefestigt wird. Diese Modelleinheit habe ich teilweise in meiner Unterrichtsreihe eingebaut, denn die Einheit hat mehrere Vorteile:

Die Kreativität der Schüler wird gefördert, indem sie eigene Texte unter Beibehaltung der Struktur des Modelltextes schreiben. Das Memorieren des Textes sollte zum Erfolgserlebnis führen und das Gefühl vermitteln, dass die Schüler fähig sind, die grammatikalische Struktur reproduzieren zu können.Niveauunterschiede werden berücksichtigt, denn der Lehrer kann den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben variieren (zum Beispiel sprachliche Vereinfachung des Modelltextes.Die Schüler arbeiten zusammen (in Dreier - oder Vierergruppen).Unbewusst findet Wiederholung der grammatikalischen Struktur statt.Das Kennenzulernen der Texte der anderen Schüler führt zur Erhöhung der eigenen Motivation.Beim Auswendiglernen der produzierten Texte kann der Lehrer verschiedene Techniken einsetzen, wie zum Beispiel das Visualisieren der Zeilen (wie etwa Bilder, Klänge, Gefühle, kinästhetische Eindrücke.Der Lehrer lenkt nur, indem er Vorschläge oder Anregungen zur eventuellen Verbesserung gibt.

- Spiele

Kreative Übungen sind eigentlich Spiele. Spiele sind meiner Meinung nach eine sehr geeignete Art und Weise des Grammatiklernens. Die Kreativität, das Zusammenarbeiten und das aktive Lernen stehen im Mittelpunkt. Formen des sozialen und interaktiven Lernens werden dabei berücksichtigt, die selbst lernschwächeren Schülern Erfolgserlebnisse sichern.