Praktische Sprechfertigkeit für die Oberstufe

Aus ZUM Deutsch Lernen
Version vom 23. August 2010, 15:17 Uhr von deutsch-lernen>Polle2010

Als Dozent einer Fremdsprache fragt man sich manchmal: was können meine Schüler nun wirklich, wenn sie im Ausland die Fremdsprache benutzen? Wissen sie sich zu helfen? Das Bestellen eines Brötchens beim Bäcker wird schon noch gehen, aber können Schüler in der Oberstufe des Gymnasiums, die schon vier oder fünf Jahre Deutsch gehabt haben, auch an einem Gespräch mit Altersgenossen teilnehmen? Können diese Schüler in Deutschland für ihre Rechte aufkommen? In den meisten Fällen ist die Antwort leider ‚nein‘. Hierunter gibt es vier Tipps um die ‚soziale Gewandtheit‘ bei Schülern in der Oberstufe zu verbessern.


Tipp 1: Schüler müssen mehr ‚gezwungen‘ werden zu sprechen

Aus Forschung stellt sich heraus, dass das Produzieren von Sprache durch den Schüler positive Effekte hat. Durch eine aktive Handlung lässt die mentale Aktivität eine Spur zurück, wodurch der Schüler es sich später besser erinnern kann [1] . Wenn der Schüler ‚gezwungen‘ wird sich in einer Fremdsprache zu äußern, entdeckt er die Lücken in seinem Wissen, die ihn verhindern, das zu sagen, was er sagen möchte. Wenn der Druck Deutsch zu sprechen fehlt, wird der Schüler auch nicht motiviert sein zu sprechen. Eine einfache und effektive Weise Schüler zu ‚zwingen‘ die Fremdsprache zu benutzen, ist die Einführung von Deutsch als Zielsprache im Unterricht. Zusätzlicher Vorteil ist, dass die Schüler zugleich ein kommunikatives Ziel haben [2] .

Tipp 2: Kompensationsstrategien müssen mehr geübt und benutzt werden

Viele Dozenten einer Fremdsprache unterschätzen die Bedeutung von Kompensationsstrategien, man ist der Meinung, dass sie nur in der Unterstufe geübt werden müssten . Mit dem Einsetzen und Trainieren von Kompensationsstrategien lehrt man den Schülern fließender kommunizieren Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>: Der Parameter „ref“ ohne Namen muss einen Inhalt haben.. Natürlich sollte man damit schon in der Unterstufe anfangen, aber diese Strategien müssen oft wiederholt werden, damit sie hängenbleiben, auch in der Oberstufe. Der Gebrauch soll zur zweiten Natur werden. Schüler müssten lernen, dass sie mit relativ wenig Worten viel sagen können.


Es gibt vier Kompensationsstrategien:

• Die bekannteste Strategie ist das Beschreiben. Wenn es sich um einen Gegenstand handelt, kann der Sprecher den Gegenstand auf Grund äußerlichen Merkmale oder auf Grund des Ortes, wo es sich normalerweise befindet, beschreiben.

• Wenn es sich um Redensarten handelt, kann der Sprecher die Redensart auf eine andere Weise neu formulieren.

• Wenn der Sprecher ein Substantiv sucht, kann er das Substantiv durch das Wort ‚Dingsbums‘ ersetzen. Wenn er Glück hat, trägt der Gesprächspartner das fehlende Wort ein.

• Zum Schluss gibt es noch die sogenannten ‚Fillers‘. Fillers gebraucht man, wenn man nicht mehr auf das Wort kommt, um Zeit zu gewinnen. Der Sprecher hat somit mehr Zeit über das Wort nachzudenken.

Tipp 3: Mehr Aufmerksamkeit für Kontaksignale sorgt für bessere Kommunikation

Im Unterricht scheint es oft so, dass der Gesprächspartner in einem Gespräch ruhig abwartet bis die Botschaft des Sprechers durchgekommen ist. Das stimmt leider nicht. Würde der Gesprächspartner bei einem wirklichen Gespräch nämlich nichts sagen, hätte der Sprecher schon schnell das Gefühl als wäre das, was er gerade erzählte, uninteressant. In de Praxis zeigt der Gesprächspartner mit Hilfe von Kontaksignalen (kleine Wörter oder Sätze, die der Gesprächspartner gebraucht, um ein fließendes Gespräch führen zu können), dass er die Meinung des Sprechers teilt oder ermutigt er den Sprecher weiterzureden (Bolte 1996, Liedke 1996). Die Rolle des Gesprächspartners wird also unterschätzt. Diese Unterschätzung lässt sich aber erklären. Die Gespräche in den Lehrgängen geben nämlich ein verzeichnetes Bild. In diesen Gesprächen sprechen nie mehr als zwei Personen, die einander nie ins Wort fallen. Die Rollen werden schön abgewechselt und es wird nicht durcheinander geredet. Auch werden die Sprecher nicht durch Hintergrundgeräusche gestört, weil die Gespräche in einem Studio aufgezeichnet sind. Für den Fremdsprachenunterricht wäre es besser realistische Gesprächsaufnahmen zu gebrauchen.

Mehr Aufmerksamkeit für non-verbale Aufnahme- und Verständigungssignalen kann dazu beitragen, dass Gespräche fließender verlaufen und weniger kommunikative Missverständnisse entstehen werden.

Tipp 4: Wortschatz: weniger passiv, mehr aktiv

Eine Vergrößerung der ‚sozialen Gewandtheit‘ entsteht auch, wenn der Wortschatz größer wird. Oft unterscheidet man zwischen passivem und aktivem Wortschatz. Mit passivem Wortschatz ist das Erkennen von Wörtern in einem Kontext gemeint, mit aktivem Wortschatz die Wörter, die Schüler sofort in einem Gespräch einsetzen können. In der Praxis stellt sich heraus, dass dieser aktive Wortschatz bei vielen Schülern in de Oberstufe nicht sehr groß ist. Das hat zwei Gründe: viele Wörter werden schon gelernt, aber nicht wiederholt, dadurch werden sie wieder vergessen. Auch lernen die Schüler in den Lehrgängen viele Wörter, die sie in der Praxis nur sehr wenig gebrauchen können.

Zum Schluss

Leider ist Sprechfertigkeit im modernen Fremdsprachenunterricht ein untergeschobenes Kind, die gesprochene Sprache steht oft im Hintergrund. Zu Unrecht. Mit den hier oben beschriebenen Tipps kann man in kurzer Zeit, die Sprechfertigkeit der Schüler erheblich verbessern.

Quellen

  1. Westhoff, G.J (2008) – Een ‘schijf van vijf’ voor het vreemdetalenonderwijs (revisited). Deventer
  2. Kwakernaak, E (2009). Vreemdetalendidactiek. Gasteren: Coutinho