Das Schulfach Deutsch in den Niederlanden - ein Rückblick

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Das Schulfach Deutsch in den Niederlanden - ein Zurückblick

Jedes Jahr nehmen rund 200.000 Kandidaten an den zentralen Abschlussprüfungen in den Niederlanden teil. Das zentrale Institut für Testentwicklung (Centraal instituut voor toetsontwikkeling) teilt mit, dass 2012 60928 Schüler und Schülerinnen an der zentralen Deutschprüfung in den Niederlanden teilgenommen haben. 19213 Schüler aus dem vorwissenschaftlichen Unterricht, 16836 Teilnehmer aus der höheren allgemeinen Sekundarbildung, 22238 24879 Schüler aus der vorbereitenden beruflichen Ausbildung. Rund 30% aller Prüfungskandidaten hat Deutsch im Prüfungspaket.

In diesem Aufsatz wird die Geschichte des Schulfaches Deutsch in den Niederlanden dargestellt.

Wie alles anfing

Willem Kuiper (1961,S.10) schreibt, dass es im 17. Jahrhundert kaum einen deutschsprachigen Unterricht in den Niederlanden gab. Boekholt (1987, S. 54) fügt daran hinzu, dass man Deutsch je nach Bedarf im Privatunterricht unterrichtete. Dieser Unterricht wurde oft von Sprachmeistern gegeben, die so Kwakernaak (1996, S.14) ‚Native speakers‘ waren und didaktisch und pädagogisch oft nicht unterbaut waren. Im Zusammenhang mit der Aufklärung stieg im 18. Jahrhunderte das Bedürfnis nach mehr Wissen. Bildung wurde auch zur Staatsaufgabe in den Niederlanden. Neben den staatlichen Lateinschulen gab es in den Niederlanden die sogenannten Französischen Schulen. In diesen Schulen war die französische Sprache die Hauptsprache, aber man konnte auch Deutsch lernen. Aber es gab keinen offiziellen Lehr- und Stundenplan für das Fach Deutsch . Das praktische Ziel, der Sprachbedarf bestimmte den Lerninhalt. Es wurden die Schreibe, Sprech – und Lesefertigkeit geübt. Der Lehrer war im Gespräch mit seinen Schülern. Auch die Schulbücher oder Lehrbücher dieser Zeit widerspiegeln diese Methode. Mathias Kramer veröffentlichte 1716 die erste deutschsprachige Grammatik von dem Niederländischen und 1719 erschien das erste zweisprachige Wörterbuch „Koninglyk Neder-Hoog-Duitsch und Hoog-Neder-Duitsch dictionnaire“. Weiterhin gab es Grammatikbücher und Gesprächsbücher. Man lernte wichtige Sätze aus den unterschiedlichsten Situationen des täglichen Lebens. Weiterhin standen kleine grammatikalische Übersichten in den Lehrbüchern . Kuiper (1961, S.26) vertritt dabei die Meinung, dass diese Schulen eine „bakermat“ (dtsch: eine Wiege) für die modernen Fremdsprachen, worin auch Platz war für das Englisch und Deutsch waren. Der kommunikative Unterricht verschwand in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunders. Das Übersetzen spielte die dominierende Rolle. Die Schüler mussten feststehende Ausdrücke, Redewendungen oder einfache Worte aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzen. Dabei spielte die Grammatik eine große Rolle. Zwar wurden die zwei Grammatiken miteinander verglichen, aber von einem kommunikativen Unterricht war nicht mehr die Rede . Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schenkte man dem Literaturunterricht mehr Aufmerksamkeit, weil man die literarische Entwicklung als wichtigen Bestandteil der intellektuellen Formung anschaute.

1863 Das erste Bildungsgesetz

Die Reihenfolger des Fremdsprachenangebotes lautete Französisch – Deutsch – Englisch. In den Französischen Schulen wurde neben dem Französisch auch Deutsch und Englisch unterrichtet. Französisch wurde auch in der Grundschule unterrichtet und waren Grundlage um zugelassen zu wurden auf der ‚höheren Bürgerschule‘. Aber auch die politisch dominierende Rolle Frankreichs spielte bis ins zwanzigste Jahrhundert eine große Rolle. Französisch war die Sprache in Europa. Deutschland war bis 1871 zersplittert und spielte keine große Rolle in der europäischen Politik. Zwar war in den Niederlanden der Unterstufenunterricht geregelt, aber eine deutliche Regelung und Gesetzgebung zum weiterführenden Unterricht gab es nicht. Der niederländische Minister Thorbecke hat 1863 das Gesetz auf allgemeine Gemeinbildung (wet op middelbaar onderwijs) eingeführt. Das Gesetz, so Kwakernaak ( ‘Schulfach und akademische Disziplin: anderhalb Jahrhunderte Deutsch in den Niederlanden. S. 87) institutionalisierte die 'höhere Bürgerschule‘ (Hoogere Burgerschool, H.B.S.) und die ‚mittelbare Mädchenschule‘ (Middelbare Meisjesschool, M.M.S.). In diesen Schulformen, sowie in den Gymnasien gehörten die Schulfächer Französisch, Deutsch und Englisch zum Fächer – und Prüfungspaket. Bei der ‚höheren Bürgerschule‘ gab es noch die Einteilung in den ökonomisch-sprachlichen Teil und den naturwissenschaftlichen Teil. In beiden Teilen gehörte Deutsch zum Stoff. Thorbecke sah im Beherrschen der modernen Fremdsprachen einen ökonomischen Vorteil. In der ‚höheren Bürgerschule‘ und in der ‚mittelbaren Mädchenschule‘ erhielten die Schüler zwei bis vier Stunden Unterricht pro Fremdsprache. Bei Kuipers (1961, S.47) findet man eine Übersicht, aus der hervorgeht, dass in der ersten Klasse der ‚höheren Bürgerschule‘ die Schüler jeweils 4 Stunden Niederländisch, Französisch und Deutsch erhielten. In der zweiten Klasse, 3 Stunden Niederländisch, 4 Stunden Französisch und jeweils 3 Stunden Deutsch und Englisch. Erst in der 2. Klasse lernte man Englisch. Kuipers findet in seinem Buch für diese Aussage ein Begründung. Er bezieht sich auf Steyn Parve (der erste Schulinspektor) der darüber 1867 schreibt, dass das der Englischunterricht erst in der zweiten Klasse anfängt „ Dit wird wenselijk geacht, vanwege „de gemakkelijkheid der Engelese taalregels“ (Kuipers 1961. S.48). Rund 1867 haben die Schüler in den 5 Jahren ‚höhere Bügerschule‘ 16 Stunden Niederländisch, Französisch und Deutsch, und 14 Englisch. Im Schuljahr 1916-1917 sieht man eine Veränderung: 15 Stunden Niederländisch, jeweils 14 Stunden Französisch und Deutsch und 12 Stunden Englisch.

Ab dieser Zeit gab es auch offizielle Prüfungsprogramme. Die Inhalte variierten in den Jahren. Von 1868 bis 1901 musste man für die ‚höhere Bürgerschule‘ noch einen Aufsatz schreiben auf Grundlage literarisch – historischen Zitate oder Aussprachen. Ab 1902 rückten die rezeptiven Fertigkeiten in den Vordergrund. Man übersetzte Texte aus dem Deutschen ins Niederländische. Neben den schriftlichen Prüfung gab es noch mündliche Prüfungen, bei denen die Literaturgeschichte und der Inhalt gelesener Werke überhört wurde. Ab 1917 verfiel die literaturgeschichtliche Komponente. Schüler besprachen nur noch gelesene Werke. Bei den Gymnasien bestand die Prüfung seit 1881 allein noch aus einer Übersetzung eines deutschen Textes ins Niederländische.